Diagnose Reizdarm: Mein Darm – Der unbeliebte Nachbar

Lesedauer: 4 Minuten

Was für eine Person war ich eigentlich zu dem Zeitpunkt als ich die Diagnose Reizdarm bekam?

Damals war ich Anfang 20. Ich hatte erst mit dem Studium begonnen und ein völlig neuer Abschnitt lag vor mir. Hast du vielleicht auch studiert? Falls ja, dann weißt du sicher, dass die ersten Semester etwas ganz besonderes sind. Falls nicht, dann kann ich dir sagen es sind unglaublich viele neue Eindrücke. Es gibt normalerweise Einführungsveranstaltungen mit Rallyes, Partys und viele, viele neue Leuten. Daher tut es mir gerade auch wirklich Leid für die, die diesen neuen Abschnitt beginnen und ihn durch Corona das letzte Jahr gar nicht richtig erleben konnten. Aber das ist ein anderes Thema. Es ist eine Zeit in der man neue Leute kennen lernt, sich kennen lernt und seine Freiheit genießt. Obwohl ich nicht mal die Stadt gewechselt habe, war es ein ganz anderes Leben. Schließlich war ich bis dahin ein Dorfkind. Nun verbrachte ich die meiste Zeit in der Stadt.

Es gab Cocktailabende, viele neue Leute und immer etwas zu tun. Dazu vermutlich nicht gerade die beste Ernährung mit dem Essen der Mensa und dem Alkohol der Partys. Wie schon erwähnt, das Studium hatte es in sich und somit kam der Stress auch trotz allem Spaß nicht zu kurz. Aber ich habe die Zeit echt genossen und könnte viele Geschichten erzählen, worüber ich froh bin. Doch irgendwann änderte sich das…

Freiheit bedeutet für mich, alles tun zu können, ohne die Grenzen anderer zu überschreiten!

Die Bauchschmerzen wurden immer regelmäßiger und immer stärker – trotzdem aber so unregelmäßig, dass ein Zusammenhang nicht erkennbar war. So gab es Schmerzen, obwohl ich extra auf die Ernährung geachtet habe und etwas Gesundes gekocht habe. Einen anderen Tag aber keine Schmerzen, obwohl ich den fettigen Burger und Pommes vom Imbiss nebenan gegessen habe.

Diagnose Reizdarm

Mit der Zeit wurde es schlimmer und intensiver. Aus gelegentlichen Bauchschmerzen, wurden regelmäßige Krämpfe. Aus einmaligem „Sorry, ich kann heute nicht mit, mein Bauch tut weh.“, wurde ein ständiges Absagen und irgendwann ein fehlendes Planen von Unternehmungen. Es nahm mir meine Flexibilität, die Freiheit mein Leben nach meinem Wunsch zu gestalten und damit teilweise meine Lebensfreude. Das klingt sehr hart, aber du wirst mit der Zeit auf dem Blog lesen können, wieso ich das so schreibe. Vielleicht kannst du es dir aber auch denken oder kennst es sogar aus eigener Erfahrung, weil du etwas Ähnliches hast oder aus anderen Gründen so eine Situation kennst. Es ist einfach nicht schön, vor allem mit Anfang 20, wenn man so viel erleben und unternehmen möchte, von seinem Körper so ausgebremst zu werden.

Eine Diagnose Reizdarm ist wie Schluss machen ohne eine Erklärung.

In der Zeit war ich bei mehreren Ärzten und wie schon erwähnt war die einzige Diagnose sehr lange „Reizdarm“. Ich weiß nicht wie es dir geht, aber ich muss zugeben ich hasse dieses Wort. Die Diagnose ist wie Schluss machen und sagen „Es liegt nicht an dir, es liegt an mir.“. Oder am besten ohne jegliche Erklärung zu gehen. Sowas ist einfach unglaublich unbefriedigend. Es gibt dir keinerlei Hilfe, wie du damit umgehen sollst oder wie du etwas ändern kannst. In meinen Augen ist es genauso gut, wie keine Diagnose zu bekommen. Natürlich sagt dir die Diagnose Reizdarm zumindest, dass du keine schlimmeren Krankheiten hast. Versteh mich nicht falsch, das ist super. Die Schmerzen, Krämpfe und das Gefühl von Hilflosigkeit verschwinden damit aber trotzdem nicht. 

Diese fehlende Erklärung für meine Schmerzen und damit die fehlende Perspektive auf Besserung machten mir damals am meisten zu schaffen. Ich bin wirklich durch und durch Optimist und ein sehr lebensfroher Mensch, doch diese Eigenschaften nicht zu verlieren fiel mir mit der Zeit immer schwerer. Das zeigte ich aber nur sehr wenigen Menschen. Meistens litt ich allein, denn anderen deutlich zu machen wie es mir geht war schwer, ohne Wörter dafür zu haben was mir fehlt. Ich bin mir sicher, manche dachten auch einfach, dass ich meine Bauchschmerzen als faule Ausrede verwende. Eine einfache Möglichkeit um Treffen ohne Probleme abzusagen. Dabei wollte ich nichts mehr, als selbst entscheiden wohin ich wann gehe.

Diese Tatsache, dass mein Darm gefühlt für mich entschied und so viel Kontrolle in diesem Moment über mein Leben hatte, führte zu einer Sichtweise in mir, die mir selbst gar nicht auffiel. Eine Sichtweise, die die Probleme bestimmt eher schlimmer gemacht hat als besser.

"Hast du eigentlich gemerkt, dass du von deinem Magen in der dritten Person sprichst? Als sei er nicht ein Teil von dir?"

Dies fragte mich eines Tages mein Vater, dem durchaus auffiel, wie sehr ich mich selbst von meinem Bauch bzw. Darm distanziert hatte. Er hatte Recht, denn zu dieser Zeit sagte ich immer nur „Er tut wieder weh.“ oder „Keine Ahnung was der wieder hat.“. Als sei es ein weinendes Baby, welches aufgrund fehlender Sprachfähigkeit mir nicht sagen kann was sein Problem ist. Durch das fehlende Wissen, weshalb ich diese Probleme hatte, fehlte mir auch die Motivation daran zu arbeiten und ich schob es einfach ab. Ich erzeugte einfach eine Person, meinen Darm, die in mir sitzt und mir auf die Nerven ging, wie ein unbeliebter Nachbar. 

In diesem Moment wurde mir bewusst, dass ich ihm die Schuld gab für die Probleme. Als sei er Schuld, dass ich Schmerzen hätte. Das ist ungefähr so als würde man träumend gegen eine Wand laufen und seinen Beinen die Schuld geben. Diese Erkenntnis kam jedoch erst sehr spät, dabei ist sie eine so wichtige und daher wollte ich sie auch direkt im ersten Beitrag erwähnen. Eine Diagnose und dadurch folgende Therapie wird nicht helfen, wenn man nicht die richtige Sichtweise hat, besonders bei einem empfindlichen Darm. So unsinnig ich die Diagnose Reizdarm auch finde, so verbindet Menschen mit dieser doch meist eins: Gefühle, Emotionen und natürlich auch Stress schlagen auf den Bauch bzw. Darm. Durch eine negative Sichtweise, wird man immer ein gewisses Grundlevel von Stress oder Unmut erzeugen. Dadurch hat man gar keine Möglichkeit sich wieder vollständig gesund zu fühlen.

Wie sieht es bei dir aus? Hast du vielleicht auch schon angefangen, deinem Körper Schuld zu geben für die Probleme die du hast?

Dieser Beitrag hat 4 Kommentare

  1. Flo

    Super Artikel! Ich denke du kannst sehr vielen Menschen die mit dieser Diagnose unglücklich sind ein wenig Hoffnung schenken. .

  2. Alena

    Wirklich spannender Artikel! ☺️ Ich kenne das total, dass ich meinem Körper die Schuld gebe und insbesondere die Analogie mit dem schreienden Baby finde ich super passend. Darauf möchte ich in Zukunft noch mehr achten. Danke dir für den Beitrag ☺️ P.S. Ich finde dein Blog hat auch ein sehr hübsches Design 🙂

    1. Melli

      Liebe Alena,

      vielen Dank für dein liebes Feedback. Leider passiert es schnell, dass man seinem Körper die Schuld gibt, vor allem wenn man sonst keine Lösung oder Erklärung findet. Deswegen ist es denke ich super wichtig, dies wirklich zu realisieren und damit mehr acht auf seine Gedanken geben zu können. 🙂

      Freut mich natürlich auch, dass dir das Design gefällt! 🙂

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