Ich habe nun schon eine Weile über meine Geschichte und meine Handhabung mit dem Reizdarmsyndrom geschrieben. Ich habe von meinen Nahrungsmittelunverträglichkeiten erzählte, meinem Therapieversuch und auch von meinen eigenen Ansätzen berichtet. Mit letzterem meine ich vor allem die Zwei-Komponenten-Diät, aber auch der Weg zu einer allgemein, gesünderen, bunten Ernährung. Das heißt ich habe versucht mit der Zeit wieder mehr Nahrungsmittel in meinen Ernährungsplan aufzunehmen und zum Beispiel auf meine Menge an Ballaststoffen zu achten. Mehr dazu gibt es in meinem Beitrag „Bunt macht gesund“. Aber bei welcher Ernährungsform bin ich am Ende gelandet? Vegan, Vegetarisch, Low Carb oder einfach was mir vor die Nase kommt?
Der Titel hat ja schon gespoilert: Ich ernähre mich mittlerweile flexi-vegan. Aber was ist der Unterschied zu Vegan? In meinem Fall heißt das, dass ich nun seit Anfang 2020 auf Fleisch und Fisch verzichte. Gleichzeitig lebe ich Zuhause auch vor allem pflanzenbasiert. Das heißt ich nutze z. B. Pflanzenmilch, esse keine Eier und nutze Sojajoghurt. Sogar Honig ist aus meiner Wohnung verschwunden. Ich gönne mir aber ab und an auch vegetarische Produkte und schließe nicht aus, dass ich mir irgendwann mal wieder im Urlaub ein Stück Fisch gönne.
Ich möchte mir bei meiner Ernährung keine strengen Grenzen setzen, da mein Körper das sehr lange für mich gemacht hat.
Die Frage ist dann natürlich, wieso verzichte ich dann überhaupt auf gewisse Dinge? Die einfache Antwort: Es tut mir gut! Ich möchte in diesem Beitrag aber auch beleuchten, wieso ich diese Entscheidung getroffen habe. Nicht um mich zu rechtfertigen oder jemanden zu überzeugen. Ich finde eine sehr dogmatische Lebensweise schwierig, egal ob bei Ernährung, Sport oder Glaube. Trotzdem gibt es für mich ein Aspekt des Flexi-Veganismus, welcher teilweise neben dem Tierwohl und der Klimakrise untergeht. In meinen Augen gibt es nämlich auch durchaus einen gesundheitlichen Grund, wieso man sich gegen tierische Produkte oder vor allem Fleisch entscheiden kann. Aber fangen wir von vorne an.
Zurück ins Jahr 2018: Zu diesem Zeitpunkt war ich gerade voll in dem zweiten Schub. Meine Symptome waren nach einem Therapieversuch wieder gekommen und ich musste meinen eigenen Weg und damit auch eine eigene Ernährung finden. Der Ansatz der Zwei-Komponenten Diät half mir mich wieder zu sortieren und die ersten Schritte zu gehen. Leider war Fleisch ein Nahrungsmittel, welches ich immer vertrug. Es kam also dazu, dass ich seit Beginn dieses Ansatzes (Mitte 2018) sehr viel Fleisch aß. Es gab quasi täglich Fleisch und dazu leider auch nicht viel anderes, denn mein Körper reagierte auf zu viel. Nach Monaten voller Fleisch, Fleisch und noch mehr Fleisch, hing es mir so langsam aus den Ohren raus.
Ohne Genuss ist in meinen Augen keine Ernährung gesund. Also entscheide selbst!
Somit fing ich dann ungefähr Mitte 2019 an, als langsam immer mehr Gemüse und vor allem auch Hülsenfrüchte in meinen Speiseplan fanden, das Fleisch damit zu verdrängen. Ich war sehr froh, dass ich wieder selbstständiger entscheiden konnte, wie viel Fleisch oder auch Fisch ich essem wollte. Das war vorher quasi nicht möglich, schließlich musste ich irgendetwas essen. Wobei ich zugeben muss, dass ich selbst wenig Fisch gekocht habe. In meinen Augen ist guter Fisch schwer in einem deutschen Standardsupermarkt zu finden. Ab da hatte ich dann immer mehr vegetarische bzw. eher vegane Tage.
Anfang 2020 bekam ich dann den Link zum Film „The Game Changers“ geschickt.[1] Es ist ein Dokumentarfilm, welcher sich mit der veganen Ernährung von Profi-Sportlern beschäftigt. Ich möchte mich hier nicht damit beschäftigen, die Fakten und Sinnhaftigkeit des Films zu hinterfragen. Dazu gibt es schon unzählige Beiträge im Internet.[2,3] Danach fing ich aber an mich zu dem Thema „vegane Ernährung“ zu belesen. Nicht weil ich jetzt Profi-Sportlerin sein wollte, sondern weil ich wissen wollte, ob diese Ernährung die Richtige für mich sein könnte.
Egal ob Vegan oder Low Carb Ernährung mit viel Fleisch: Dank tausenden Studien, kann jede Ernährungsform unterstützt werden.
Bevor ich im Detail darauf eingehe, wieso ich mich am Ende für einen Mittelweg entschieden habe, möchte ich nochmal etwas betonen. Die Erforschung von Ernährung und Gesundheit ist sehr komplex. Schon in meinem Beitrag über Leaky Gut habe ich über das Problem gesprochen. Gesundheit wird vermutlich durch so viele Aspekte beeinflusst: Bewegung, Ernährung, körperliche Aspekte, Stress, Schlaf und vieles mehr. Für eine eindeutige Studie müsste man dafür sorgen, dass alle Aspekte gleich sind und lediglich die Ernährung minimal verändert wird. Das ist unglaublich schwer zu realisieren. Vermutlich ist es einfach unmöglich.
Dadurch ist eine eindeutige Aussage schwer zu treffen und vermutlich der Grund für so viele gegensätzliche Aussagen. Diese führen wiederum dazu, dass man vegane Ernährung genauso belegen kann, wie low carb und den damit hohen Fleischkonsum. Hier ist es wichtig genau zu schauen, welche Studien verwendet werden. Hilfreich sind hier auch Meta-Analysen und Reviews. Diese betrachten direkt mehrere Studien und helfen damit beim Überblick.
Ich begann etwas einfacher: Im Buchladen. Als erstes las ich über die China Studie,[4,5] welche gefühlt genauso viel Kritik erntet wie der oben genannte Film.[6] Hier geht es darum, dass der Professor für Biochemie, T. Colin Campbell, eine vegane Ernährung empfiehlt und sogar sagt, dass man damit gewisse Krankheiten heilen kann. Letztlich sagt er sogar, dass tierische Lebensmittel Krankheiten fördern. Diese Erkenntnis resultiert für ihn aus der Auswertung des China-Cornell-Oxford-Projekts. Dies ist eine epidemiologische Studie in Zusammenarbeit mit der Cornell University, der University of Oxford und der chinesischen Regierung.[4,7] Der Begriff „Epidemiologisch“ bedeutet, dass sich hier die Forscher mit der Verbreitung von gesundheitlichen Zuständen in der Bevölkerung von China beschäftigt haben. Zeitgleich wurde die Ernährung der untersuchten Populationen betrachtet und daraus Zusammenhänge geschlossen. Das Resultat laut Campbell: Man solle auf tierisches Eiweiß verzichten.
Ist die vegane Ernährung wirklich die richtige Ernährung für mich?
Danach kamen weitere Bücher: „Der Ernährungskompass“[8] und „Vegan-Klischee ade!“.[9] Ersteres ist ein allgemeines Ernährungsbuch, welches nicht die vegane Ernährungsweise aber eine Reduktion von Fleisch, besonders aber verarbeitetem Fleisch, wie Wurst, empfiehlt. Schön sind in diesem Buch die einfachen Darstellungen der Nahrungsmittel in verschiedenen Kompassen. Diese teilen die Lebensmittel in schützende, neutrale und schädigende Gruppen ein. Eier und Butter bewertet Kast zum Beispiel eher neutral. Bezogen auf die Proteinquellen erkennt man aber einen klaren Trend zu pflanzlichen Quellen, wie Nüsse, Linsen, Bohnen, Kichererbsen oder Pilzen.
Das zweite Buch wiederum, wie am Titel erkennbar, ist ein Buch für die vegane Ernährung. Vorteil in meinen Augen ist, die klare Erkennung der Quelle. Bei diesem Buch ist die Quellenliste nicht wie bei anderen Büchern als Gesamtliste ans Ende gehängt, sondern die Quellen sind klar den Aussagen zugeordnet. In meinen Augen noch deutlicher als bei Kast. Damit sollte man den Aussagen jedoch nicht blind vertrauen, kann aber die Quellen direkt zur Recherche nutzen. Im Buch versucht Kast zu zeigen, dass vegane Lebensmittel den Makro- und Nährstoffbedarf eines Menschen decken können.
Insgesamt war das Bild, welches mir durch die Bücher gezeichnet wurde, eher ein schlechtes für die Fleischindustrie. Kast betont jedoch die Wichtigkeit von Omega-3 Fettsäuren und damit die von Fisch in der Ernährung. Hier könnte man nun eine größere Diskussion eröffnen, wie die Unterschiede von tierischem und pflanzlichen Omega-3 sind. Das verschieben wir aber auf ein anderes Mal.
Besonders eindrucksvoll war für mich neben den Büchern aber die Studie von Anthony Fardet und Yves Boirie.[10] Diese fand ich übrigens als Quelle im Buch von Kast. In der Meta-Meta-Analyse von Fardet und Boirie wird der gesundheitliche Effekt von Lebensmitteln untersucht. Hierfür nutzen sie unglaublich viele wissenschaftliche Studien und fassen deren Ergebnisse auf sehr schöne Art und Weise zusammen. Das Endergebnis: Finger weg von prozessiertem Fleisch. Daneben konnte man noch für Eier und Softdrinks eher negative Auswirkungen feststellen. Die größere Überzeugung hier ist allerdings mein Körper. Der ist eben kein großer Fan von Eiern und Milch, wieso also viel davon essen? Für mich stand also fest, dass ich eine deutlich pflanzenbasiertere Ernährung wählen möchte.
Eine Prise Freiheit mit einer großen Portion wohlfühlen.
Als Versuch und auch aufgrund der typischen Faktoren, die man sonst für die vegane Ernährung heranzieht, verzichtete ich auf jegliches Fleisch und strich den Fisch gleich mit raus. Ob ich langfristig wieder Fisch zu mir nehme, zeigen die Zeit und meine weiteren Recherchen. Aufgrund meiner Unverträglichkeiten hatte ich mich durch die letzten Jahre zudem daran gewöhnt pflanzliche Alternativen für Milch, Joghurt und Co zu verwenden. Eier aß ich auch nicht mehr. Und voila. Ich war Veganerin.
Wie oben aber schon beschrieben, wollte ich mich zu keiner Ernährungsweise zwingen oder drängen. Deshalb nenne ich mich liebevoll Flexi-Veganerin. Mittlerweile ist fast das zweite Jahr vorbei, indem ich mich so ernähre. Ich fühle mich sehr wohl damit und meinem Körper geht es so gut, wie schon lange nicht mehr. Durch die fehlenden Reizdarmsymptome kann ich mich freier entscheiden, wie und was ich esse. Dafür bin ich dankbar und im Moment mit meiner Entscheidung für diese Ernährung sehr zufrieden. Ob ich so symptomfrei wäre mit Fleischkonsum, kann weder ich noch die Wissenschaft mir beantworten. Fakt ist aber: Mir schmeckt‘s! Schließlich kann ich immer noch jede Feier, den Besuch im Restaurant oder bei Freunden genießen, ohne strenge Regeln. Ich finde das macht vieles einfacher, denn eine komplett vegane Ernährung finde ich unterwegs immer noch schwer. Sie würde mich aber vermutlich auch dauerhaft nicht glücklich machen.
[1] https://gamechangersmovie.com/ (Stand 27.10.2021)
[2] https://www.fitbook.de/food/the-game-changers-kritik (Stand 27.10.2021)
[3] https://www.sportaktiv.com/game-changers-fake-oder-fakten-analyse-der-netflix-doku-ueber-vegane-ernaehrung (Stand 27.10.2021)
[4] https://de.wikipedia.org/wiki/The_China_Study (Stand 27.10.2021)
[5] Buch: Abnehmen mit der China Study®: Die einfache Art, um mit veganer Ernährung Gewicht zu verlieren und Krankheiten vorzubeugen. (Thomas Campbell)
[6] https://www.ugb.de/exklusiv/fragen-service/china-study/ (Stand 27.10.2021)
[7] https://doi.org/10.1016/s0002-9149(98)00718-8
[8] Buch: Der Ernährungskompass – Das Fazit aller wissenschaftlicher Studien zum Thema Ernährung. C. Bertelsmann Verlag. (Bas Kast)
[9] Buch: Vegan-Klischee ade! – Wissenschaftliche Antworten auf kritische Fragen zu pflanzlicher Ernährung. Becker Joest Volk Verlag. (Niko Rittenau)
[10] https://doi.org/10.1111/nure.12153