Darmhypnose – sinnvoller Therapieansatz für Reizdarm-Patienten?

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Das Wort „Hypnose“ ist altgriechisch und bedeutet „Schlaf“. Lange dachte man nämlich, dass bei der Hypnose ein schlafähnlicher Zustand erzeugt wird. Mittlerweile bezeichnet man den Zustand aber als hypnotische Trance. Dies ist ein tief entspannter Wachzustand. In diesem Zustand sollen Suggestionen direkt in das Unterbewusstsein gelangen und so schneller aufgenommen werden.[1]

Für Reizdarm-Patienten gibt es einen Therapieansatz, bei dem die Hypnose ausgenutzt wird. Diese sogenannte Darmhypnose oder auch bauchgerichtete Hypnose (gut-directed hypnosis) wird mittlerweile sogar von den deutschen Leitlinien für Reizdarm empfohlen.[2] Aufgenommen wurde die Darmhypnose vermutlich aufgrund des von mir schon häufiger erwähnten engen Zusammenhangs zwischen Psyche und Reizdarmsyndrom. Hierrüber schreibe ich zum Beispiel im Beitrag über Affirmation oder Placebo.

Die eigene Psyche spielt eine große Rolle beim Thema Reizdarm.

Nachdem auch ich auf das Thema aufmerksam wurde, wollte ich nun also Wissen: Was sagt die Studienlage zum Thema Darmhypnose und was kann man sich darunter vorstellen? Vorab kann ich dir schon mal so viel verraten: Probiert habe ich es zwar selbst noch nicht, würde es aber nach der Recherche definitiv tun. Zum Glück geht’s mir gerade aber so gut, dass sich der Test nicht lohnt. Wie sieht es bei dir aus? Schon mal probiert?

Ein Hinweis noch vorweg: Die deutschen Leitlinien sagen unter anderem auch, dass beim Reizdarm immer eine individuelle Behandlung erforderlich ist.[2] Dies bedeutet, dass es sehr viele Ansätze gibt und bisher die Wirksamkeit sehr personenabhängig ist. Bei manchen klappt zum Beispiel Low FODMAP, bei anderen nicht. Die einen vertragen gar kein Gluten, für die anderen sind Nudeln das Komfort-Food. Vermutlich benötigen wir noch eine ganze Menge Forschung um hier Zusammenhänge zu erkennen. Deshalb ist es auch gerade beim Reizdarm so wichtig, dass man seine Ansätze teilt, aber gleichzeitig kein Allheilmittel verspricht. Jeder muss das hier leider für sich herausfinden. Trotzdem gibt es natürlich Methoden, die bei einer großen Mehrheit Besserung erzeugen und daher eher empfohlen werden. Dazu gehört auch die Darmhypnose.

Damrhypnose

Jeder Reizdarm-Patient braucht seine individuelle Therapie.

Die bauchgerichtete Hypnose wurde erstmals 1984 von Dr. Peter Whorwell und seinen Kollegen publiziert. Seit dem wurden 23 weitere Studien publiziert, die sich mit dem Thema Hypnose bei Reizdarm (irritable bowel syndrome (IBS)) beschäftigen.[3] Bei der ersten Studie wurden 30 IBS Patienten in zwei Gruppen geteilt. Die eine erhielt sieben Hypnose-Sitzungen über zwölf Wochen, die andere sieben Gesprächssitzungen inklusive Placebos (Tabletten ohne Wirkstoff). Somit wollte man also den Placebo-Effekt mit dem Effekt der Darmhypnose vergleichen. Während die Placebo-Patienten keine bis kaum Änderungen über die zwölf Wochen spürten, war dies bei den Hypnose-Patienten deutlich zu erkennen.[4] Drei Jahre später veröffentlichte diese Gruppe ein weiteres Paper, welches die langanhaltende Wirkung (18  Monate später) der Hypnose beschrieb.

Wirkung der Darmhypnose deutlich erkennbar!

Kurzer Einschub: Randomisierte kontrollierte Studie (randomised controlled trials (RCT)) bezeichnet eine Form des Studiendesigns. Hier passiert die Zuordnung zur Gruppe (z. B. Darmhypnose oder Placebo) für einen Patient zufällig (randomisiert). Leider schließt dies trotzdem nicht 100% ein Bias aus. Es ist nämlich mindestens für das Studienpersonal die Zuordnung während der Untersuchung bekannt. Besser ist daher eine doppelblinde RCT. Hier weiß sowohl der Patient, als auch der Untersuchende nichts. Die doppelblinden RCTs werden daher gerne als Goldstandard in der klinischen Forschung bezeichnet. Dies kann jedoch nicht immer eingesetzt werden. Untersucht man zum Beispiel die Darmhypnose, ist es schwer dies zu verschleiern und die folgenden Studien sind daher RCTs. Ein aber immer noch sehr angesehenes Studiendesign.

Nach den zwei von Whorwell publizierten Papern, waren neun weitere randomisierte kontrollierte Studien veröffentlicht worden. Bei diesen RCTs ging es neben der Wirksamkeit, auch um einen Vergleich mit anderen Ansätzen zur Reizdarm-Therapie. So wurde hier die Darmhypnose zum Beispiel mit der Biofeedback-Therapie verglichen. Dies beschreibt eine Entspannungstechnik. Kurz gesagt sollen hier Patienten bewusst Körperfunktionen wahrnehmen und diese dadurch steuern lernen.[4] In allen neun (bzw. mit Whorwells zehn) Studien wurde eine Verbesserung der Magen-Darm-Symptome durch Hypnose gefunden. In sieben der zehn Studien war die Besserung auf der Seite der mit Hypnose behandelten Gruppe. Bei den anderen Studien waren die beiden Gruppen gleich auf.

Zusammenfassend kann man also sagen: Die Studienlage ist eindeutig und spricht für diesen Therapieansatz. Es ist aber auch zu sagen, dass bei diesen Studien die Darmhypnose in einer 1:1 Sitzung durch einen Therapeuten stattfand. Hier war also ein hoher Betreuungsgrad notwendig.

Kann Darmhypnose per Spotify auch Reizdarm heilen?

Mittlerweile gibt es Darmhypnosen deutlich einfacher zugänglich. Man kann also Zuhause im Bett liegen und jederzeit loslegen. Es gibt Bücher bzw. Hörbücher mit geführten Hypnosen oder sogar Youtube-Videos. Eine schnelle Suche und schon kann man es ausprobieren. Selbst auf Spotify sind einige Hypnosen frei zugänglich. 

So gut dieser einfache und vor allem auch kostenlose Zugang ist, so kann man dies natürlich nicht mit dem Verfahren in den Studien vergleichen. Inwiefern die Darmhypnose also per Spotify und Co auch von Zuhause wirkt ist nicht untersucht. Es ist aber trotzdem ein guter Ansatz, der es Wert ist ausprobiert zu werden. So eng wie Psyche und Darm zusammenhängen, kann etwas Ruhe sicher nicht schaden. Also wie wär´s: Anstatt Musik einfach mal einer Hypnose lauschen?

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