
Durch einen glücklichen Zufall wurde ich nach einiger Zeit mit meinen Problemen auf einen Arzt aufmerksam, der sich auf die Darmgesundheit spezialisiert hatte. Nachdem ich zu diesem Zeitpunkt schon zwei Magenspiegelungen und mehrere Laktose-Allergietests hinter mir hatte, lag meine Erwartung sehr niedrig. Aber ich hatte nichts zu verlieren und habe somit dort einen Termin gemacht. Kurzform: Ich hatte endlich eine Form der Erklärung, aber gleichzeitig auch eine lange Liste von Unverträglichkeiten. Trotzdem war ich glücklich. Diese große Einschränkung war mir in diesem Moment egal. Hauptsache ich hatte einen Plan, wie ich aus meiner Situation raus komme. Im Folgenden gibt es ein paar mehr Details zu dieser Erfahrung und einen kleinen Exkurs zu Allergietests ((Immunglobulin E (IgE) und Immunglobulin G (IgG)).
Die Magen – oder wie ich später erfuhr – eher Darmprobleme waren besonders zur Zeit meiner Bachelorarbeit immer schlimmer geworden, sodass ich für den Besuch (ca. 2014) zwar keine Erwartungen aber jede Menge Hoffnungen hatte. Ich weiß noch wie froh ich war, dass der Arzt mir zumindest einmal wirklich zugehört hat. Endlich hatte ich das Gefühl, dass jemand wirklich verstehen wollte wo das Problem liegt, anstatt nur wieder das Wort Reizdarm in den Raum zu werfen.
Auf das Testergebnis warten, war eine Mischung aus Weihnachten und Zahnarzttermin.
Ich erzählte von meinen Symptomen, den bisherigen Tests, Arztbesuchen und von meinem Wunsch der Besserung. Das Ergebnis waren ein Stuhl und ein Bluttest. Die Blutabnahme wurde vor Ort gemacht, den Stuhltest habe ich mitbekommen und durfte ihn Zuhause machen. Es war wirklich eine Erfahrung für sich, sein Geschäft auf ein Stück Papier zu machen und danach Teile davon zur Post zu bringen… 😛 Ab dann hieß es aber erstmal warten.
So sehr ich auch die Erwartungen niedrig halten wollte, so war ich doch aufgeregt und die Hoffnung wuchs immer mehr eine Antwort zu bekommen. Es war ein wenig, wie als kleines Kind auf den Weihnachtsmann zu warten, aber auch irgendwie wie im Wartezimmer beim Zahnarzt zu sitzen. Zum einen könnte das Ergebnis ein Geschenk sein, weil ich endlich wüsste was los ist. Ich könnte endlich einen Plan an die Hand bekommen, wie ich diese Schmerzen loswerde. Auf der anderen Seite könnte es aber auch sein wie bisher… Der Test könnte unauffällig sein und ich würde wieder am Anfang stehen. Also versuchte ich positiv zu denken. Schließlich sollte es, da Ultraschall und vorherige Magenspiegelungen unauffällig waren, nichts schlimmes sein. Ich glaube es dauerte zwei bis drei Wochen, dann durfte ich wieder zum Arzt um alles zu besprechen.
Forschung in Bezug auf Medizin, Ernährung und Darmgesundheit ist aufgrund ihrer Komplexität leider oft widersprüchlich oder unklar.
Bevor ich zu den Ergebnissen komme möchte ich auf etwas aufmerksam machen.
Erstens: Ich muss zugeben, dass damals meine Herangehensweise eine ganz andere war als heute. Durch das Studium, besonders aber auch die Doktorarbeit hinterfrage ich viel mehr und versuche selber wissenschaftliche Quellen zu finden. Zweitens: Die Problematik bei diesem Thema ist, dass eine wissenschaftliche Grundlage bei dem komplexen Thema Ernährung und Darmgesundheit schwierig zu finden ist. Jeder Mensch ist anders, so viele Faktoren spielen hier zusammen und keine Studie kann alles betrachten und berücksichtigen. Dies führt dazu, dass besonders hier sehr gegensätzliche Ergebnisse erzeugt werden oder die Datengrundlage nicht ausreicht. Trotzdem gibt es Ergebnisse von damals, denen ich nach etwas Recherche heute nicht mehr so viel Wertung zuspreche. Daher würde ich heute so einen Test auch nicht mehr machen. Damals aber war er meine Rettung, denn ich war mittlerweile verloren und brauchte etwas Leitung.
Also zurück: Der Arzt damals eröffnete mir, dass ich eine Vielzahl von Lebensmittelunverträglichkeiten hätte. Dies sei aufgrund einer erhöhten Permeabilität (Durchlässigkeit) der Darmwand und führe zu einem stark erhöhten Entzündungslevel. Die genauen Marker, die zu diesem Ergebnis führten beleuchte ich nächstes Mal. Zudem zeigte der Test, dass ich ein Ungleichgewicht bei den Darmbakterien hätte. Die Lösungsidee war eine Ernährungsumstellung und zusätzliche Gabe von Vitaminen und Darmbakterien (Probiotika). Klingt doch erstmal nach einer Diagnose und einem Weg, oder?
100 Unverträglichkeiten waren für mich immer noch besser als ohne Diagnose in der Luft zu hängen.
Genau das dachte ich mir auch, trotz der ganzen Einschränkungen die folgen sollten. Zu den Unverträglichkeiten zählte Gluten und Kasein. Das Erste wird auch gerne „Klebeiweiß“ genannt und kommt in den meisten Getreidesorten vor. Das Zweite ist ein Teil des Milcheiweißes und führte also zu dem Verzicht von jeglicher Form von tierischer Milch. Kasein kommt nämlich nicht nur in Kuhmilch und damit in Joghurt, Käse, Quark und Co vor, sondern auch in Schafs- und Ziegenmilch. Dazu kam noch Ei, manche Nüsse und sogar Ananas.
Damals ernährte ich mich noch von tierischen Produkten, sodass es für mich schon eine sehr deutliche Ernährungsumstellung war. Zu dem Testergebnis bekam ich aber ein kleines Heft. Dies erklärte mir in welchem Lebensmittel was drin ist und nach welchem Plan ich mich ernähren sollte. Manche Lebensmittel waren z. B. schlimmer als andere. So sollte ich die nächsten sechs Monate keine Milchprodukte zu mir nehmen, Gluten war aber alle drei Tage erlaubt. Ja, es klingt nicht nur kompliziert, es war auch kompliziert. Ich hatte deswegen sogar eine Excelliste mit den Lebensmitteln die ich alle drei Tage essen durfte. Dort kreuzte ich an, wenn ich eins der Lebensmittel aß um nicht durcheinander zu kommen. Verrückt, oder?
Deutschsprachige Allergiegesellschaften haben sich gegen IgG-Allergietests ausgesprochen.
Das ganze basierte damals vor allem auf dem sogenannten IgG-Test. Neben dem IgG-Test gibt es auch noch den IgE-Test. Beides sind bestimmen Antikörper (Immunglobuline) im Blut. Die vom Typ E deuten tatsächlich auf eine Sensibilisierung hin und sind als Hinweis auf Allergien anerkannt. Die vom Typ G sind jedoch stark umstritten, da sie meist nur anzeigen was man vorallem zuletzt gegessen hat. Deshalb haben sich die deutschsprachigen Allergiegesellschaften und dadurch auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung gegen die Verwendung von IgG-Tests ausgesprochen.[1,2] Problematisch an diesen Tests ist häufig die Vielzahl an Unverträglichkeiten und die damit komplette Umstellung der Ernährung. Dies führt bei Verbesserung häufig zu falschen Rückschlüssen, da man die eigentliche Ursache nicht identifiziert. Zudem kann es sogar zu einer Verschlimmerung aufgrund fehlender Nähr- und Mikrostoffe führen. Schließlich ist die Lebensmittelauswahl dadurch meist stark reduziert.
Der erste Schritt muss nicht immer der richtige sein.
Rückwirkend betrachtet war dies auch bei mir der Fall. Einige Monate vor dem Arztbesuch und damit der Information, dass ich auf Ei und Milchprodukte reagiere, hatte ich eine LowCarb Phase. Ich war mit meinem Körper unzufrieden und wollte diese Diätform ausprobieren. In dieser Ernährung meidet man – wieder der Name sagt – Kohlenhydrate. Es gab also besonders viel Ei, Magerquark und Hühnchen. Genau das worauf ich später auch beim IgG -Test reagierte. Es zeigte also an, was ich zuvor in großen Mengen aß.
Da ich damals aber den Unterschied gar nicht genau kannte, nicht mehr weiter wusste und nur eine Verbesserung wollte, hielt ich mich an alles was der Arzt mir sagte. Und mein Glück: Es wurde besser. Dies ergibt auch Sinn, denn meine Darmflora wurde durch die Probiotika verbessert. Außerdem führte der stärkere Fokus auf Gemüse und die fehlende Möglichkeit auswärts zu essen, zu einer gesünderen Ernährung. Davor aß ich regelmäßig in der Mensa oder beim Imbiss um die Ecke. Deshalb bin ich trotzdem sehr dankbar dafür, denn es war für mich der erste Schritt.
Ein Test nach sechs Monaten zeigte bei mir jedoch, dass immer noch viele Marker erhöht waren. Es bedeutete für mich, dass ich die Ernährungsumstellung nicht sechs sondern ungefähr 15 Monate machen musste. Danach sagte mir der Arzt, dass all meine Werte okay sein und ich wieder frei essen durfte. Für mich der Startschuss wieder wie früher zu leben. Zwar blieb ich zumindest Zuhause vor allem bei pflanzlicher Milch und pflanzlichem Joghurt, da ich mich dran gewöhnt hatte, doch ansonsten war alles wie vorher. Ich freute mich endlich wieder mit Freunden Essen gehen zu können und wollte mein Leben einfach wieder genießen. Mit meiner damaligen Einstellung fühlten sich nämlich die 15 Monate wie Verzicht an.
Ein empfindlicher Darm kann dein Frühwarnsystem sein.
Ihr könnt euch sicherlich vorstellen, dass dadurch die Probleme schnell zurückkamen. Ich hatte damals nicht verstanden, dass die Situation nicht wie ein kaputtes Auto ist. Reparatur und danach kann man wieder Vollgas geben. Solange Vollgas bedeutet, dass man durch seine Lebenssituation oder Ernährung den Motor jedes Mal ein Stück überstrapaziert. So ist es auch beim Darm, auch dieser kann bei ständig falscher Ernährung und hohem Stress schnell wieder aufgeben. Hier ist aber jeder Mensch verschieden. Manche Menschen bekommen zum Beispiel schneller Karies oder graue Haare als andere.
Ein empfindlicher Darm ist also eher dein Frühwarnsystem. Es zeigt dir, wenn du mal wieder über die Strenge schlägst. Dies kann durch zu viel ungesunde Ernährung sein oder natürlich auch durch zu viel Stress. Es bedeutet nicht, dass man dadurch keinen Stress aushält und auch nicht, dass man nicht auch mal feiern, schlemmen und genießen kann. Es bedeutet nur, dass das Maß eine Rolle spielt, wie bei so vielen Dingen im Leben.